Montag, 24. Dezember 2018

Miss Gladys und ihr Astronaut


Die gute Miss Gladys kann sich nicht mehr alles merken, aber dieser Telefonanruf ist unvergesslich: Der Astronaut Thomas Major ist am Apparat, gerade auf dem Weg zum Mars.
Er hat sich natürlich verwählt und will am liebsten gleich wieder auflegen. Aber Miss Gladys und ihre Enkel brauchen seine Hilfe. Die Mutter tot, der Vater im Gefängnis und dann auch noch Schulden…

Zögerlich und leise fluchend wird der Mann im All zum Helfer in der Not.

Tausende von Kilometern entfernt, führt er die drei auf seine ganz eigene Art durch schwere Zeiten, denn Familie Ormerod droht ihr Zuhause zu verlieren. Und Miss Gladys und ihr Astronaut brauchen einen galaktisch guten Plan.

Die Geschichte ist sehr nett, manchmal witzig, manchmal traurig. Ein bisschen kitschig und klischeehaft, aber schnell und flüssig zu lesen und einfach herzerwärmend.

Ein schöner Zeitvertreib in der Winterzeit – und natürlich mit Happy End! Perfekt für Weihnachten.

Sonntag, 23. Dezember 2018

23. Dezember: Das Verschwinden des Josef Mengele von Olivier Guez


1949 flüchtet Josef Mengele - der Lagerarzt, der menschenverachtende Experimente in Konzentrationslager Auschwitz durchführte - nach Argentinien. 
In Buenos Aires trifft er auf ein dichtes Netzwerk von Unterstützern, unter ihnen Diktator Perón, und baut sich Stück für Stück eine neue Existenz auf.

Mengele begegnet auch Adolf Eichmann, der ihn zu seiner großen Enttäuschung nicht einmal kennt. Der Mossad sowie Nazi-Jäger Simon Wiesenthal und Generalstaatsanwalt Fritz Bauer nehmen schließlich die Verfolgung auf.

Mengele rettet sich von einem Versteck ins nächste, lebt isoliert und wird finanziell von seiner Familie in Günzburg unterstützt.

Erst 1979, nach dreißig Jahren Flucht, findet man die Leiche von Josef Mengele an einem brasilianischen Strand.

Dieser Tatsachenroman von Olivier Guez, der in Frankreich sofort zum Sensationsbesteller wurde, liest sich wie ein rasanter Politthriller und wahrt zugleich die notwendige Distanz.

Für mich war das Thema, was aus den „hohen Tieren“ der Nationalsozialisten nach dem Krieg geschah, Neuland. Erstaunlich finde ich, dass es doch so viele Menschen gab, die die Gräultaten, die sie gemacht haben, überhaupt nicht bereuen.

Historisch interessant, mit einer anspruchsvollen Schreibweise und durchaus lesenswert. Wenn man erstmal drin ist, hört man gar nicht auf zu lesen!

VIB 2018!!!

Samstag, 22. Dezember 2018

22. Dezember: Tage mit Ora von Michael Kumpfmüller



In seinem neuen Roman erzählt Michael Kumpfmüller von einer Frau und einem Mann, die spontan beschließen, gemeinsam zu verreisen, obwohl sie sich kaum kennen. 
Sie begegnen sich auf einer Hochzeitsparty – und bleiben aneinander hängen: die Kunstschneiderin Ora und der Erzähler des Romans. Beide sind Experten in Liebeskatastrophen und allenfalls gemäßigt optimistisch. Aber sie spüren: Dieser neue Mensch interessiert mich. Da ist etwas, das ich ausprobieren will – mit allen Konsequenzen.

»Tage mit Ora« erzählt davon, wie die beiden sich auf den Weg machen. Zwei Wochen USA, Westküste, mit dem Mietwagen. Die Stationen ihrer Reise sind Orte aus Oras Lieblingssong. Mehr Planung gibt es nicht.

Und eigentlich kann es mit ihnen nichts werden, aber vielleicht ja doch..? Auf dieser Reise wollen sie es versuchen.

Mit Leichtigkeit und Humor führt Kumpfmüller vor, was passiert, wenn zwei Stadtneurotiker Spontanurlaub machen, und sich in fremder Umgebung Schritt für Schritt auf einander einlassen.

Eine Road-Trip-Komödie deren Ausgang offen bleibt und der Leser am Ende selbst entscheiden kann...

Sehr unterhaltsam, witzig und leicht zu lesen - ein perfekter Sommerroman.

Freitag, 21. Dezember 2018

21. Dezember: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß von Manja Präkels



In einem scheinbar idyllischen Dorf in Brandenburg Ende der 80er Jahre schwindet allmählich die DDR, die zuvor überall anwesend war und die Gesellschaft bis ins Private durchdrang.

Doch nach der Wende tauchen zusehends andere Sachen auf, andere Gesinnungen, freiheitliche und auch nazistische. Mimi erlebt dies als Kind, ihre eigene Familie verändert sich, ist plötzlich gespalten. Und ihr Jugendfreund, Oliver, nennt sich plötzlich nicht nur Hitler, sondern agiert auch so. Er befehligt die Dorfnazis, bis die Situation eskaliert…

Manja Präkels beschreibt in ihrem Debütroman den Untergang der DDR und den Aufstieg rechter Gruppen in Brandenburg. In kindlicher Sichtweise erzählt sie wie es dazu kommen konnte, dass rechtes Gedankengut, Wut und Hass in der einst ländlichen Idylle um sich greifen. Wie aus Kinderfreunden Täter werden...


Spätestens nach diesem Buch ist einem klar, dass der Mauerfall und die deutsche Einheit nicht nur Friede Freude Eierkuchen waren - und sind!

Ein krasser Jugendroman! Total spannend und mitreißend.

Unwillkürlich hatte ich das Gefühl, Noah vor diesem Roman schützen zu müssen. Er hat es durchaus in sich! Aber das empfohlene Alter ist ja auch erst ab 16. Bis dahin hat Noah noch vier Jahre Zeit, um dafür reif genug zu werden.

Und wenn es dann soweit ist, fände ich es gut, wenn er es liest, denn das Thema ist immer noch präsent! Deshalb ist es meiner Meinung nach auf jeden Fall auch was für Erwachsene!

Übrigens hat das Buch den deutschen Jugendbuchliteraturpreis 2018, in der Kategorie Jugendbuch, gewonnen. Daraufhin sind die Verkaufszahlen soweit in die Höhe gegangen, dass der Verbrecher Verlag, ein kleiner unabhängiger Verlag, schnell nachdrucken musste.

Donnerstag, 20. Dezember 2018

20. Dezember: Mister Frank und Harald Fry von Rachel Joyce




Mister Frank hat eine besondere Gabe: Er spürt, welche Musik die Menschen brauchen, um glücklich zu werden. Doch eines Tages taucht die Frau in Grün vor Franks Schaufenster auf. Sie ist blass und schön und zerbrechlich…


Doch so sehr Frank sich auch bemüht, er kann einfach nicht hören, welche Musik in ihr klingt…
Ich habe das Buch gelesen weil mich das Thema Gespür für Musik interessiert und weil mir „Die unwahrscheinliche Reise des Harold Fry“ von Joyce sehr gefallen hat.
Mister Frank ist eine ruhige, verträumte Geschichte übers Zuhören, über Liebe und Freundschaft und ganz viel über Musik…
Manchmal ist es ein bisschen kitschig, aber toll, wie anschaulich Rachel Joyce über Musik geschrieben hat – da bekommt man Lust diese Musik zu hören.



„Ich bin auf dem Weg. Du musst nur durchhalten. Ich werde Dich retten. Ich werde laufen, und Du wirst leben.“

Harold Fry will nur kurz einen Brief einwerfen an seine frühere Kollegin, die im Sterben liegt. Doch dann läuft er am Briefkasten vorbei und auch am Postamt, aus der Stadt hinaus und immer weiter, 87 Tage, 1000 Kilometer. Quer durch England bis zu Queenies Hospiz. Eine Reise, in der er Zeit zum Nachdenken hat, die er jeden Tag neu beginnen muss. Für Queenie. Für seine Frau. Für seinen Sohn. Für sich selbst. Und für uns alle.

Ein ungewöhnlicher Roman über eine ungewöhnliche Pilgerreise dieses Mannes quer durch England, quer durch das Leben, die Gedanken, die Albträume, die ihn plagen und uns nachdenklich stimmen.

Harald Fry hat mir besser gefallen als Mister Frank.

Mittwoch, 19. Dezember 2018

19. Dezember: Das Birnenfeld von Nana Ekvtimishvili




Im Internat für geistig behinderte Kinder in Tbilissi hat das zornige Mädchen Lela die Rolle der Beschützerin übernommen, denn die Lehrerinnen sind mit den „Debilen“ überfordert. Behindert sind die wenigsten Kinder, im Stich gelassen, abgehängt sind sie alle.

So stark Lelas Hass auf den Geschichtslehrer ist, so schwesterlich ist ihr Verhältnis zu Irakli: Sie begleitet ihn in eine Hochhauswohnung in der Nachbarschaft, wo er einmal in der Woche mit seiner Mutter telefonieren darf. Irakli will nicht wahrhaben, was Lela längst weiß: Seine Mutter wird nie zurückkehren.

Dann bekommt Irakli die Chance für ein neues Leben. Ein Ehepaar aus den USA will ihn adoptieren... Doch so einfach ist es nicht, alles hinter sich liegen zu lassen und ein neues Leben anzufangen.

Schonungslos erzählt Ekvtimishvili von einer Gesellschaft der postsowjetischen Zeit in Georgien. Über das Leben von Kindern, die von den Eltern abgeschoben wurden, von Missbrauch, Verwahrlosung, Prostitution und Verlassenheit. Und von dem Versuch aus diesem Leben irgendwie rauszukommen.

Ein tolles Buch, (in einer manchmal radikalen und derben Ausdrucksweise) über ein rebellisches Mädchen in einem Land weit weg vom wohlbehüteten Deutschland...

Trotzdem sind es die gleichen Gefühle, die Mädchen und Frauen, Jungen und Männer haben, wenn sie in der Gesellschaft auf einem Abstellgleis gelandet sind: Wut und Angst und das Bedürfnis nach Geborgenheit.

In Deutschland, in Georgien und überall! Ein VIB 2018!!!

Dienstag, 18. Dezember 2018

18. Dezember: Neujahr von Juli Zeh



Lanzarote am Neujahrsmorgen: Henning sitzt auf dem Fahrrad und will den Steilaufstieg nach Femés bezwingen.

Seine Ausrüstung ist miserabel, das Rad zu schwer, Proviant nicht vorhanden. Während er gegen Wind und Steigung kämpft, lässt er seine Lebenssituation Revue passieren. Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Er hat zwei gesunde Kinder, einen passablen Job und eine glückliche Beziehung mit seiner Frau.

Aber Henning geht es schlecht. Er lebt in einem Zustand permanenter Überforderung. Familienernährer, Ehemann, Vater – in keiner Rolle findet er sich wieder. Seit Geburt seiner Tochter leidet er unter Angstzuständen und Panikattacken, die ihn regelmäßig heimsuchen wie ein Dämon.

Als Henning schließlich völlig erschöpft den Pass erreicht, trifft ihn die Erkenntnis wie ein Schlag: Er war als Kind schon einmal hier.

Damals hatte sich etwas Schreckliches zugetragen – etwas so Schreckliches, dass er es bis heute verdrängt hat, weggesperrt irgendwo in den Tiefen seines Wesens.

Jetzt aber stürzen die Erinnerungen auf ihn ein, und er begreift: Was seinerzeit geschah, verfolgt ihn bis heute...

Ein unheimlich spannender Thriller mit viel psychologischen Tiefgang. Sehr lesenswert.